Fischerei
Küstenfischerei / Krabbenfischerei
Die Krabbenfischerei sind überwiegend Familienbetriebe, die über viele Generationen hinweg die Küstengemeinden und damit die regionale Identität geprägt haben. Die mehr als hundertjährige Tradition der Krabbenfischerei hat damit nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern ebenso einen kulturellen und historischen Wert für die Küstengemeinden Niedersachsens.
Heutzutage ist die Nordseegarnele (Crangon crangon),umgangssprachlich auch Nordseekrabbe oder Granat genannt, die bedeutendste Zielart der deutschen Küstenfischerei in der Nordsee. Dabei ist ihr befischbares Vorkommen auf die sandigen Böden der küstennahen Meeresgebiete beschränkt. Aufgrund des sehr dynamischen Lebensraums kann es zu starken natürlichen Schwankungen im Vorkommen der Nordseegarnelen kommen. Früher gab es auch Fischereien auf u.a. Kabeljau und Plattfische im Küstenmeer. Zu dieser Zeit hat man von einer gemischten Küstenfischerei gesprochen. Aufgrund fehlender Fangmöglichkeiten im Küstengebiet konzentriert sich die Fischerei heute fast ausschließlich auf die Nordseegarnele. Diese wird mittels den für die Küstenfischerei typischen Fanggeräten gefangen, den Baumkurren. Dies sind Netze, welche auf Kufen über den Meeresgrund laufen und von einem Stahlbaum offengehalten werden. Der Fang wird direkt an Bord lebendig sortiert, wobei die Konsumgarnelen von untermaßigen und dem sonstigen Beifang (u.a. Fische) getrennt und noch an Bord in Seewasser gekocht werden. Die derart bearbeiteten Nordseegarnelen werden in Kisten verpackt und im Kühlraum des Schiffes gelagert, bis diese an Land weiterverarbeitet werden können. Die angelandeten Nordseegarnelen werden in Siebstellen über Mehrstufensiebe in die verschiedenen Handelsklassen sortiert, konserviert und überwiegend an niederländische Großhändler (ca. 90 %Marktanteil) weiterverkauft. Die Fischerei im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer ist durch das Nationalparkgesetz (NWattNPG, §9Fischerei in Ruhezonen) in großen Gebieten ausdrücklich zugelassen. Darüber hinaus setzt sich der Verband der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei fortlaufend für eine nachhaltige und umweltverträgliche Fischerei im Wattenmeer ein. Die Krabbenfischerei ist seit 2017 MSC zertifiziert, verzichtet freiwillig auf den Einsatz von Dolly Rops (Scheuerfäden) und unterstützt seit vielen Jahren diverse Forschungsprojekte. Mehrfach wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Krabbenfischerei nur einen geringen und zeitlich begrenzten Einfluss auf die hauptsächlich befischten Lebensräume hat.
Marine Stewardship Council, der MSC
MSC ist ein unabhängiges, internationales Zertifizierungsprogramm für nachhaltige Fischereien. Die Überprüfung, Bewertung und Zertifizierung der Fischerei wird von unabhängigen Spezialisten alle fünf Jahre durchgeführt. Die Krabbenfischerei hält ein
trilaterales Zertifikat mit den Niederlanden und Dänemark und hat sich damit u.a. freiwillig zu folgendem verpflichtet:
Flottengröße ist je Land begrenzt
-
größere Maschenöffnung im Netz (25 mm, vorgeschrieben 16 mm)
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ganzjähriger Einsatz technischer Maßnahmen zur Beifangreduzierung und strenge Kontrollen der Fänge
begrenzte Motorleistung
-
gesonderte Erfassung von ungewollten Fängen geschützter Arten, mit Meldepflicht
-
Etablierung eigener Managementsysteme:
· Begrenzung der jährlichen Seezeit
· zusätzliche zeitweilige Schließung der Fischerei zur Schonung des Bestandes
· monatliche Überwachung der Stundenfänge zur Vermeidung von Überfischung
· räumliche Einschränkungen zum Schutz besonderer Lebensräume, wie Seegraswiesen
Die Vorgaben werden regelmäßig durch unabhängige Kontrolleure in den jeweiligen Ländern überwacht und Fehlverhalten sanktioniert.
Da es für die Krabbenfischerei kein gesetzliches Bestandsmanagement gibt, also keine Höchstfangmengen oder Quoten seitens der staatlichen bzw. Gemeinsamen Fischereipolitik der EU vorliegen, haben die Krabbenfischer einen eigenen Managementplan im Rahmen ihrer MSC- Zertifizierung entwickelt.
Die sogenannte Harvest Control Rule (HCR) ist essenzieller Bestandteil des selbst auferlegten Aufwandsmanagement der Krabbenfischerei. Basis ist die Annahme, dass große Fangmengen in der Fischerei für einen gesunden Nordseegarnelen-Bestand sprechen. Der Stundenfang, also wie viel Kilogramm Nordseegarnele pro Kutter pro Seestunde (Landing per unit effort, LPUE) angelandet werden, wird monatlich gemeldet und gegen einen festgeschriebenen Referenzwert abgeglichen, um notwendige Seezeitbeschränkungen bei niedrigen Fängen - als Hinweis auf einen rückläufigen Bestand - direkt umsetzen zu können.
Muschelfischerei
Die
Miesmuschelfischerei in Niedersachsen ist eine Mischform von einerseits der Fischerei auf Besatzmuscheln und andererseits deren Aufzucht auf Kulturflächen, welche von insgesamt drei Betrieben mit maximalfünf Kuttern praktiziert wird. Die Muschelfischer betreiben eine nachhaltige Zucht von Miesmuscheln nach strengen Vorgaben und ausschließlich auf vorabgenehmigten Muschelbänken und Kulturflächen.
Das Staatliche Fischereiamt begutachtet die beantragten Flächen, um zudem ggf. räumliche und/oder zeitliche Beschränkungen auszusprechen und kontrolliert den Fang über Logbücher sowie Black Boxen. Es dürfen nur Fahrzeuge mit einer Erlaubnis für die Saatmuschelfischerei eingesetzt werden. Alle Betriebe müssen einem zwischen der obersten Fischereibehörde und der obersten Naturschutzbehörde vereinbarten
Bewirtschaftungsplan folgen, welcher eine Fischerei in Einklang mit den Schutzzielen des Nationalparks und den Erhaltungszielen der Natura2000-Bestimmungen gewährleistet.
Die jungen Besatzmuscheln werden gefischt oder von so genannten Saatmuschelanlagen (Kollektoren) gewonnen, zum weiteren Abwachsen auf die geschützten Kulturflächen (max. 1.300 ha) ausgebracht, wo sie dann als Konsummuscheln geerntet und angelandet werden. Die Saatmuscheln - oder auch Besatzmuscheln - werden mittels spezieller Fanggeräte, den
Dredgen, einem speziellen 2 m breiten Schleppnetz, überwiegend im ständig überfluteter Küstenbereich, dem Sublitoral gefischt. Dabei verhindert eine vor dem Netzlaufende Schlickrolle das tiefe Eindringen in den Boden. Der Anteil des Küstenmeeres, der für die Besatzmuschelfischerei genutzt wird, ist sehr gering. Seit den 2000er-Jahren wird deswegen ein Teil der Versorgung, über die auf der Jade außerhalb des Nationalparks liegenden Saatmuschelkollektoren gewährleistet. Dabei werden zwei unterschiedliche Systeme, die Smart Farms und die Langleinen, eingesetzt. Die Ernte von diesen Saatmuschelkollektoren reicht jedoch nicht aus, um die niedersächsischen Betriebe mit den benötigten Besatzmuscheln zum wirtschaftlichen Auskommen zu versorgen. So sind die Betriebe weiterhin auch auf die Befischung von Naturbänken angewiesen. Auf den Import von Besatzmuscheln, wie es zum Beispiel in den Niederlanden erlaubt ist, verzichten die niedersächsischen Muschelfischer seit 2013 freiwillig. Diese Importe sind umstritten, da befürchtet wird, dass diese Muscheln invasive Arten in das Ökosystem Wattenmeer einschleppen könnten. Die auf den Kulturflächen ausgebrachten Saatmuscheln können in der Regel nach ein bis zwei Jahren geerntet werden. Obwohl viele Kulturflächen, die immer nur exklusiv durch einen Betrieb nach Genehmigung genutzt werden, sich an weitgehend geschützten Stellen, wie im Mündungsbereich großer Flüsse (Ästuare)und zwischen Festland und den Inseln befinden, gibt es zahlreiche Faktoren wie Stürme, Fressfeinde oder Sedimentumlagerungen, welche das Wachstum negativbeeinflussen. Damit ist die Muschelwirtschaft von stark schwankenden Erträgen aufgrund von Unbeständigkeiten in der Saatmuschelgewinnung und den Bedingungen beim Muschelaufwuchs geprägt.
Marine Stewardship Council, der MSC
Der
MSC ist ein unabhängiges, internationales Zertifizierungsprogramm für nachhaltige Fischerei. Die Überprüfung, Bewertung und Zertifizierung der Fischerei wird von unabhängigen Spezialisten alle fünf Jahre durchgeführt. Seit 2013 halten die niedersächsischen Muschelfischer ein
MSC-Zertifikat, in welchem sie sich - zusätzlich zu den geltenden staatlichen Rechtsvorschriften und Vereinbarungen (Bewirtschaftungsplan) - zu weiteren Maßnahmen freiwillig verpflichten. 2024 haben sie die 2.Rezertifizierung dieses Zertifikates erhalten.
Es ist festzuhalten, dass die Muschelfischerei im niedersächsischen Teil des Wattenmeeres keinen Einfluss auf die Entwicklung der natürlichen Miesmuschelbänke hat, da diese kaum bis gar nicht befischt werden und die Muscheln zudem über ein enormes Reproduktionspotenzial verfügen. Vergleicht man den Anteil der niedersächsischen Miesmuschelproduktion mit den jeweiligen Anteilen der Niederlande und Schleswig-Holstein wird deutlich, dass die Muschelfischerei in Niedersachsen sehr extensiv ausgeübt wird. Die positive wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre in Schleswig-Holstein ist vor allem auf die dort sehr produktiven Kulturen und die Neuausrichtung auf Saatmuschelkollektoren sowie die geringere wirtschaftliche Nutzung der Küstengebiete durch u.a. Hafenindustrie und Baggermaßnahmen zurückzuführen. Der Naturraum in niedersächsischen Küstenmeer entwickelt sich zunehmend zu einem Wirtschaftsraum, denn Niedersachsen trägt die Hauptlast der Energiewende (LNG, Anbindungstrassen, Baggerungen und Verklappungen), was den wirtschaftlichen Fortbestand der heimischen Muschelfischerei derzeit arg in Bedrängnis bringt.
Kleine Hochseefischerei
Die Kleine Hochseefischerei im Verband besteht aus 6 Fahrzeugen, welche überwiegend Frischfisch, wie
Kabeljau,
Seezunge,
Scholle,
Steinbutt, aber auch
Kaisergranat und Tintenfische anlanden. Die üblichen Fanggeräte, die in der Kleinen Hochseefischerei zum Einsatz kommen sind
Grundschleppnetze, wie
Baumkurren oder
Scherbrettschleppnetze.
Pelagische Schleppnetze kommen gerade bei der Fischerei auf Tintenfische zum Einsatz und werden im Gegensatz zu den Grundschleppnetzen ohne Berührung des Meeresbodens durchs Wasser gezogen. Je nach Jahreszeit und abhängig vom jeweiligen Vorkommen werden von den verschiedenen Fahrzeugen verschiedene Zielarten, wie zum Beispiel Plattfischen und Kaisergranat, angelandet. Die meisten Kutter haben eine Länge von 24-50 m, was neben der geringeren Entfernung der Fanggebiete zur Küste, den wesentlichen Unterschied zur großen Hochseefischerei ausmacht. Während die Hochseefischerei weltweit unterwegs ist, beschränkt sich die kleine Hochseefischerei auf Nord- und Ostsee.
Alle Hauptzielarten (Kabeljau, Seezunge, Scholle und Kaisergranat) unterliegen einem fischereilichen EU-Management mit jährlichen Fangmengenbegrenzungen (Fangquoten), Vorgaben für technischen Maßnahmen sowie Kapazitätsbeschränkungen. Dazu gehören u.a. festgelegte Höchstfangmengen (Total Allowable Catch, TAC), auf deren Basis die einzelnen Fangquoten den Ländern/Fischereien zugewiesen werden. Weitere Beschränkungen sind die Einhaltung von definierten Mindestmaschenöffnungen, die Obergrenze der Motorleistung sowie der Bruttoraumzahl, welche ein Maß für die Gesamtgröße eines Schiffs beschreibt. EU weit gilt in allen Fischereien eine sogenannte Anlandeverpflichtung, welche den Rückwurf aller quotierten Arten, auch wenn diese untermaßig sind, verbietet. Sinn dieser Regelung ist, dass wirklich alle Fänge auf die Quote angerechnet werden, um am Ende nicht mehr Fisch zu entnehmen als regelmäßig nachwächst.
Der größte Betrieb im Verband ist das Familienunternehmen Hullmann in Brake, welches in vierter Generation mehrere Kutter besitzt, wovon drei schwerpunktmäßig in der Frischfisch-Fischerei tätig sind.